3 Nov 2022 • 4 min

OSS: Fälle doppelter Umsatzsteuerzahlungen häufen sich

Daniel Michael
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Das One-Stop-Shop Verfahren - kurz OSS - sollte die EU weite Umsatzsteuer Compliance für Online Händler stark vereinfachen. So die Theorie. Die Praxis jedoch beweist das Gegenteil. Es häufen sich zusätzliche Problemfelder, die zum Teil bewusst in Kauf genommen werden, zum Teil aber auch unbewusst das Unternehmen negativ beeinflussen. Ein hier großes Problem: Doppelte Umsatzsteuerzahlungen.

Hintergrund der OSS Problematik

Die zuvor angesprochene Erleichterung für Online Händler und Steuerberater bestand in dem Wegfall von grenzüberschreitenden Umsatzsteuerpflichten durch Lieferschwellenüberschreitungen. Umsatzsteuerliche Pflichten im EU-Ausland sollen sich "bequem" aus dem Sitzstaat heraus abwickeln lassen. So der Grundgedanke des OSS-Verfahrens.

Was hier allerdings außer Acht gelassen wird ist, dass hinter OSS ein selbstständiges Besteuerungsverfahren (§ 15j UStG) steht. Das bedeutet, dass Händler die, z.B. durch die Nutzung von Amazon FBA Lagern, weiterhin verpflichtet sind zusätzliche lokale Umsatzsteuererklärungen einzureichen. Daher müssen MINDESTENS zwei Besteuerungsverfahren abgebildet werden. Und das

  • In Bezug auf Umsatzsteuermeldungen

  • In Bezug auf die Finanzbuchhaltung

Diese einzelnen Prozesse gilt es transparent abzubilden sowie aufeinander abzustimmen, sodass kein finanzielles Risiko entsteht, das am Ende die Gewinne auffrisst oder gar die Existenz bedroht.

Lokale Umsatzsteuermeldungen und OSS

Beide Verfahren sollten ein gemeinsames Ziel verfolgen. 100% Umsatzsteuer abführen, in den Ländern, denen die Umsatzsteuer anteilig zugehörig ist. 100% oder falsch. Die Dimension von "falsch" ist hier allerdings entscheidend für das finanzielle Risiko. Ob 101% oder 200% bestimmt darüber, wie schmerzhaft die falsche Versteuerung für die Liquidität eines Unternehmens ist.

Ein Beispiel aus der Praxis:

Ein deutscher Amazon Händler nutzt das CEE Programm von Amazon, sprich lagert Ware zusätzlich in Polen und Tschechien. Aus drei verschiedenen Lagern, werden Waren nun innerhalb der EU an Endkunden versandt, ein Großteil aber weiterhin nach Deutschland. Rechnungen werden in diesem Fall mit 19% MwSt. ausgewiesen sowie der deutschen USt-ID.

Über keine bzw. falsch gesetzte Steuerschlüssel, laufen Transaktionen aus Polen und Tschechien nach Deutschland nun sowohl über das OSS Verfahren und die lokale Umsatzsteuermeldung in Deutschland. Auf eine Transaktion wird somit doppelt Umsatzsteuer gezahlt.

Wer ist von dem Problem betroffen?

Im Prinzip jeder Online Händler, der grenzüberschreitende Warenlagerung über z.B. Amazon FBA oder Zalando Fulfillments betreibt. Dieser hat neben dem OSS-Verfahren zusätzliche Pflichten, die jedem Händler bewusst sein sollten:

  • lokale Ust-Meldungen für lokale Verkäufe (Zielland = Ursprungsland)

  • Dokumentation von innergemeinschaftlichen Erwerben und Verbringungen

  • Amazon Commingling-Transaktionen

  • COS

  • ....

In dem komplexen Konstrukt von multiplen Umsatzsteuermeldepflichten, gibt es allerdings im Detail weitaus schwerwiegende Möglichkeiten Fehler zu machen bzw. Pflichten zu missachten und das unbewusst. Und genau hier wird die Gefahr groß.

Wodurch entstehen häufig Fehler beim OSS Verfahren?

Die Liste ist lang und kann im Detail sehr ausfransen. Man kann es aber auf größere Hauptrisikoherde runterbrechen:

  • Grenzüberschreitende Lagerung

  • Verschiedene Datenquellen

  • Verschiedene Meldeparteien

  • Notwendigkeit manueller Aufbereitungsprozesse

  • Mangelnde Erfahrung in der Architektur von Daten im E-Commerce seitens des Steuerberaters

Diese Probleme treten häufig in Kombination auf und führen zu dem Problem von falschen oder gar doppelten Umsatzsteuerzahlungen.

Ein Beispiel, das viele der oben genannten Probleme in sich vereint:

  1. Amazon FBA Händler, Lagerung PAN EU

  2. lokale Meldungen im Ausland durch Amazon zugehörige Partei

  3. Deutscher Steuerberater, der aufbereitete Daten benötigt und diese lediglich weiterreicht

Was passiert nun in der Praxis?

Lokale Meldungen:

Die Partei zieht sich lediglich Amazon zugehörige Daten, ohne diese zu prüfen und kalkuliert anhand der Transaktionen die lokalen USt-Meldungen im EU-Ausland.

OSS Meldung:

Der Steuerberater berechnet die OSS Meldungen, sowie die deutsche Umsatzsteuervoranmeldung an Hand der Rechnungsausgangsbücher, die der Händler aufbereitet zur Verfügung stellt.

Finanzbuchhaltung:

Die lokalen Meldungen aus dem Ausland, werden als gemeldete Summe in die Buchhaltung integriert, ohne diese durch Belege und Daten plausibel erklären zu können.

Die Folge:

Verschiedene Parteien, die nicht miteinander kommunizieren, berufen sich auf verschiedene Datenquellen, die teilweise von Händlern aufbereitet werden und reichen diese ungeprüft an die Finanzämter weiter.

Wer in diesem Konstrukt kann jetzt garantieren, dass alle Transaktionen in den richtigen Kanälen gemeldet wurden?

Bestenfalls Multichannel, 2.000 - 10.000 Transaktionen monatlich und seit Beginn OSS wurde seitens der Finanzämter noch nicht geprüft. Das sollte Bauchschmerzen verursachen.

Problem:

Finanzämter sanktionieren nicht laufend, bzw. wenn Fehler gemacht werden. Finanzämter nehmen erstmal hin, was gezahlt wird. Bei einer Prüfung, die im Zweifel alle paar Jahre auftritt, treten Probleme und Differenzen an die Oberfläche. Faktor Zeit und Masse an Daten spielen, wenn der Faktor jeweils hoch ist, eine sehr schmerzhafte Rolle in dem Konstrukt.

Das Risiko:

Jahrelange Falschmeldungen, Notwendigkeiten von Nachmeldungen, Nachzahlungen, Bürokratiekosten, Stress, Schweiß, Tränen....

Wie kann man dem Problem vorbeugen?

Hier bedarf es einiger Zauberworte: Transparenz, Datenvalidierung und Skalierbarkeit von Prozessen. Auf deutsch: Wenn schon mehrere Parteien melden, sollte es eine validierte Datenmasse geben, die geprüft wurde und auf die sich alle Parteien beziehen und verlassen können.

Hierbei ist es wichtig, um Umsatzsteuermeldungen plausibel erklären zu können, physischen Warenbewegungen mit Ausgangsrechnungen korrekt belegen zu können.

Euch raucht der Kopf? Das ist absolut verständlich, aber gerade in der Materie Steuern, gilt es Prozesse zu kennen und Pflichten korrekt nachzukommen. Mit dem Bewusstsein darüber, findet man hier auch die richtige Lösung.

Ihr habt Euch in Risikoherden wiedergefunden und wollte Euer Setup mal durchleuchtet haben?

Gerne können wir in einem unverbindlichen und kostenlosen Beratungsgespräch über Euer Setup und mögliche Risikoherde sprechen.

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countX bietet keine Steuer-, Rechts- oder Buchhaltungsberatung an. Dies dient nur zu Informationszwecken und ist nicht als Steuer-, Rechts- oder Buchhaltungsberatung gedacht und sollte auch nicht als solche angesehen werden.

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