Bei der Frage nach der Wahl der richtigen Unternehmensform für Online Händler, liest man in Foren und Kommentaren oft den Hinweis: „Werde doch Kleinunternehmer. Das verringert Deinen Verwaltungsaufwand.“ Diese Aussage ist im Allgemeinen schon ziemlich fragwürdig.
Darüberhinaus gibt es den „Kleinunternehmer“ in diesem Sinne gar nicht. Es handelt sich bei dem Hinweis um die sog. „Kleinunternehmerregelung“. Warum aber gerade bei Online Händlern diese Regelung keinen Sinn macht und Euch eher vor Probleme stellt, erklären wir im folgenden Beitrag.
Die Unternehmensform „Kleinunternehmer“, die oft angesprochen und empfohlen wird, gibt es in diesem Sinne gar nicht. Man kann als Unternehmen lediglich die sog. „Kleinunternehmerregelung“ in Anspruch nehmen und das unabhängig der gewählten Unternehmensform. Die Voraussetzungen dafür sind seit dem 01.01.2025:
Diese beiden Voraussetzungen müssen gegeben sein, um von der Regelung Gebrauch machen zu können. Bei Online Händlern ist das gerade zu Beginn tatsächlich häufig der Fall, da Dein Jahresumsatz vermutlich nicht gleich über 25.000€ liegt. Der Begriff Kleinunternehmerregelung ist nun quasi ein Synonym für eine Erleichterungsvorschrift im Umsatzsteuergesetz, gedacht für kleine Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler, die aufgrund lediglich geringer Umsätze so von gewissen umsatzsteuerlichen Pflichten befreit werden.
Der Vorteil der Kleinunternehmerregelung ist also: Ihr müsst keine Umsatzsteuer auf Eure Umsätze erheben und somit auch keine Umsatzsteuervoranmeldung abgeben. Sprich, rein theoretisch könnt Ihr Euer Produkt 19% günstiger anbieten als die Konkurrenz. Zugegeben: für einsteigende Online Händler scheint die Kleinunternehmerregelung auf den ersten Blick von Vorteil zu sein. Dem ist definitiv aber nicht so. Wir klären auf.
Der maßgebliche Umsatz bei der Prüfung der oben genannten Grenzen, ist die Summe aller im Kalenderjahr vereinnahmten Entgelte (tatsächlich durch Kunden gezahlt), abzüglich der Umsätze aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern aus dem Anlagevermögen. Der voraussichtliche Umsatz ist zu Beginn der unternehmerischen Tätigkeit zu schätzen. Bleibt diese Schätzung unter der Umsatzgrenze von 25.000€, greift die Kleinunternehmerregelung.
Bei der Anwendung der Kleinunternehmerregelung darf der Unternehmer keine Umsatzsteuer auf seine Umsätze erheben. Hier besteht aber zu Beginn der Tätigkeit die Möglichkeit, freiwillig auf die Kleinunternehmerregelung zu verzichten. Wird eine der Umsatzgrenzen überschritten, muss der Unternehmer automatisch Umsatzsteuer auf seine Umsätze erheben. Optiert ein Kleinunternehmer zur Umsatzsteuer, muss er dies gegenüber dem Finanzamt erklären. Seine Entscheidung bindet ihn für fünf Jahre. Rechtsgrundlage: § 19 Abs. 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).
Die Kleinunternehmerregelung hat sowohl Vor- als auch Nachteile und die Sinnhaftigkeit ihrer Anwendung hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab.
In der Praxis ist das Modell des „Kleinunternehmers“ vor allem für nebenberuflich Selbstständige geeignet und wirklich vorteilhaft. Voraussetzung dabei ist, dass Ihr hauptsächlich Rechnungen im B2C Bereich (Business to Consumer, Rechnungen an Privatpersonen) schreibt, um aus der fehlenden Umsatzsteuer einen Vorteil ziehen zu können.
Für Vollerwerbsgründer ist die Kleinunternehmerregelung nicht gedacht. Für nebenberufliche Gewerbetreibende und Selbstständige im B2B-Geschäft ist die Kleinunternehmerregelung nicht wirklich empfehlenswert. Unternehmen können aus Eurer Rechnung keine Vorsteuer geltend machen, was gleichbedeutend mit einem Ausschlusskriterium ist.
Bis jetzt haben die Argumente für Online Händler als „Kleinunternehmer“ aber trotzdem irgendwie Bestand.
Wie schon erwähnt, hängt die Sinnhaftigkeit der Kleinunternehmerregelung von vielen Faktoren ab. Es ist in jedem Fall ratsam sich vor Inanspruchnahme der Regelung beraten zu lassen, um zu prüfen, ob die Anwendung der Regelung für den vorliegenden Fall Sinn ergibt. Ist das bei Online Händlern nun der Fall?
Das Reverse-Charge-Verfahren definiert eine umsatzsteuerliche Handhabung, bei der der Leistungsempfänger (und nicht der Leistungserbringer!) für das Abführen der Umsatzsteuer zuständig ist. Normalerweise besagt das Umsatzsteuerrecht, dass der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer vom Kunden einholen und an das Finanzamt entrichten muss. Das Reverse-Charge-Verfahren gilt für grenzüberschreitende Lieferungen und dreht die Umsatzsteuerschuldnerschaft nun um.
Beim Reverse-Charge-Verfahren darf der Leistungserbringer auf seiner Rechnung die Umsatzsteuer nicht ausweisen und ist außerdem dazu verpflichtet, seinen Kunden (den Leistungsempfänger) mit der Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ über die Steuerschuldnerschaft zu informieren.
Quartalsweise muss der leistende Unternehmer darüberhinaus seine innergemeinschaftlichen Lieferungen in einer sog. Zusammenfassenden Meldung (ZM) beim Bundeszentralamt für Steuern melden.
Das Reverse-Charge-Verfahren gilt auch für Kleinunternehmer, die ja grundsätzlich keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen müssen. In der Praxis wird dieser Tatbestand häufig kontrovers diskutiert, daher gilt hier folgende Gesetzesgrundlage: 13b Absatz 8 UStG besagt, dass im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahrens die Kleinunternehmerregelung nicht zur Anwendung kommt!
Sprich als Kleinunternehmer müsst ihr als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer vom Nettobetrag berechnen und an das Finanzamt abführen. Da ihr als Kleinunternehmer keine Vorsteuer ziehen könnt, zahlt ihr die 19% aus eigener Tasche.
Im Folgenden fassen wir die Nachteile der Kleinunternehmerregelung speziell für Online Händler zusammen und führen mögliche Fehlerquellen auf, auf die es zu achten gilt:
Amazon hat seinen Sitz in Luxemburg. Das heißt, dass jede Rechnung mit der Luxemburgischen Umsatzsteuer ausgewiesen ist, die Ihr zu bezahlen habt, sofern Ihr keine USt-ID angegeben habt. Nun könnt Ihr aber auch als Kleinunternehmer eine USt-ID beantragen und angeben. Doch auch in diesem Fall wird für Euch die Umsatzsteuer fällig. Dann gilt nämlich bei jeder Rechnung das Reverse-Charge-Verfahren und Ihr müsst die Umsatzsteuer selber an das Finanzamt abführen, könnt allerdings keine Vorsteuer ziehen.
Lagert man als FBA Händler seine Waren beispielsweise auch in Polen und Tschechien und diese werden von dort in ein anderes Land außer Deutschland gesendet, muss die jeweilige MwSt. ausgewiesen werden. Stellt man seine Rechnungen aber automatisiert ohne Ausweis der MwSt., kommt es zu Problemen mit dem jeweiligen Finanzamt.
Gerade zu Beginn der Selbstständigkeit kann man bei der Schätzung der zu erwartenden Umsätze danebenliegen. Schätzt man seinen Jahresumsatz unter 25.000€ und diese werden überraschend übertroffen, ist das kein Problem, solange man dem Finanzamt nachweisen kann, dass mit den zusätzlichen Einnahmen nicht zu rechnen war. Derjenige Unternehmer wird schlicht im nächsten Jahr umsatzsteuerpflichtig.
Wird der Umsatz aber bewusst niedrig geschätzt und es kann nicht nachgewiesen werden, dass zu Jahresbeginn nicht damit zu rechnen war, dass der Umsatz überschritten wird, wird man rückwirkend umsatzsteuerpflichtig. Die Folge: Nachzahlungen.
Wenn Kleinunternehmer Rechnungen ausstellen, müssen sie alle Pflichtangaben nach § 14 Abs. 4 UStG beachten – mit einer Ausnahme: Weil Sie nach §19 UStG von der Umsatzsteuer befreit sind, können sie auch keine Umsatzsteuer ausweisen. Stattdessen sollten sie darauf hinweisen, dass sie keine Umsatzsteuer berechnen müssen. Etwa so: „Kein Ausweis der Umsatzsteuer aufgrund der Anwendung der Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG)“.
Vorsicht: Unternehmern wird nicht vom Finanzamt mitgeteilt, dass sie umsatzsteuerpflichtig werden. Es muss selbst darauf geachtet, ob die Kleinunternehmerregelung noch Anwendung findet.
Bemerkt der Unternehmer nicht, dass er ab sofort umsatzsteuerpflichtig ist und weist die Mehrwertsteuer auf seinen Rechnungen weiterhin nicht aus, kann es teuer werden. In diesem Fall schuldet der Unternehmer dem Finanzamt die Umsatzsteuer und muss diese auch abführen, obwohl sie auf der Rechnung nicht verlangt wurde.
Die Kleinunternehmerregelung ist an die Person gebunden und nicht an das Unternehmen. Betreibt man mehrere Unternehmen die zwar jeweils unter 25.000€ Umsatz bleiben, müssen die Umsätze dennoch eine Umsatzsteuer ausweisen, wenn die Summe der Umsätze die 25.000€ überschreitet.
Wie man es dreht und wendet, Ihr müsst als Online Händler eine Umsatzsteuervoranmeldung machen und auch als Kleinunternehmer die Umsatzsteuer ausweisen. Und das noch aus eigener Tasche.
Aus dem einzigen Vorteil, den die Kleinunternehmerregelung bietet, wird somit obendrein noch ein zusätzlicher Nachteil. Nicht nur, dass Ihr eine Umsatzsteuervoranmeldung machen müsst, Ihr zahlt zudem noch drauf, da Ihr keine Vorsteuer ziehen könnt. Darüber hinaus bekommt Ihr die Einfuhrumsatzsteuer, die Ihr zahlt, wenn Ihr Eure Produkte einkauft, nicht wieder.
Somit ist unser gut gemeinter, allgemein gültiger Rat: lasst die Finger von der Kleinunternehmerregelung – vor allem aber, wenn Ihr Online Händler seid.
countX ist ein führender europäischer Technologieanbieter in Umsatzsteuermeldungen für Onlinehändler. Das Unternehmen setzt kontinuierlich neue Maßstäbe in Bezug auf die Automatisierung der grenzüberschreitenden Einreichung der Umsatzsteuer, durch eine Mischung aus zukunftsweisender Technologie, direkter persönlicher Beratung, strenger Qualitätskontrolle sowie persönlicher Beratung.
Das countX Team verfügt über Erfahrungen mit mehr als 800 Kunden in der E-Commerce-VAT-Compliance und bedient seine Kunden zu höchster Zufriedenheit, die durch Technologie in Kombination mit vorausschauender Beratung ermöglicht wird.
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