24 Apr 2023 • 5 min

Umsatzsteuerpflicht im E-commerce durch Fulfillment im Ausland

Daniel Michael
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E-Commerce im Jahr 2023. Steigende Anzahl von Marktplätzen. Dezentralisierung von Logistik-Strukturen. Erschließung von Kunden in ganz Europa oder gar der ganzen Welt. In Bezug auf Wachstum, ein Feld ungeahnter Möglichkeiten. In Bezug auf die bürokratische Abwicklung, sprich umsatzsteuerliche Handhabung der oben genannten Faktoren: Hier hört der Spaß auf.

Kompliziert wird es im speziellen, wenn ich ein Fulfillment außerhalb meines Sitzstaates betreue, wie zum Beispiel möglich über das FBA Programm. Logistisch und in punkto Markterschließung mit vielen Vorteilen behaftet. Es entsteht allerdings eine Umsatzsteuerpflicht, der entsprechend nachgekommen wird.

Wie löse ich eine Umsatzsteuerpflicht im Ausland aus?

Sobald ein Online Händler Produkte physisch ins Ausland beweg, sei es über Grenzen Hinweg direkt an einen Endkunden oder über eine Umlagerung in ein Fulfillment im Ausland verschickt. Es entstehen gesonderte Umsatzsteuerpflichten.

Option A: Grenzüberschreitender Versand

Seit dem 01.07.2021 ist das OSS Verfahren in Kraft getreten. Wem dieses Verfahren zum jetzigen Zeitpunkt noch kein Begriff ist, bitte sprecht sofort mit Eurem Steuerberater oder meldet Euch bei uns. Hier die Keyfacts:

  • Wegfall der nationalen Lieferschwellen

  • Eu-weite Lieferschwelle von in Summe 10.000€

  • Ab Schwellenüberschreitung sofortige Umsatzsteuerpflicht im Zielland des Empfängers

  • EU weite Pflichten können über OSS Meldung konsolidiert werden

  • Meldezeitraum ist das Quartal

Per Definition, ist jede Warenbewegung an einen Endkunden, die eine Ländergrenze innerhalb der EU überschreitet, eine OSS-pflichtige Transaktion. (Ab Schwellenüberschreitung).

Der Vorteil: Pflichten im Ausland können konsolidiert über eine einzige Meldung abgewickelt werden.

Der Nachteil: Option B wird dadurch deutlich komplexer.

Option B: Grenzüberschreitende Lagerung

Über Marktplätze und zugehörige Fulfillment-Programme, besteht die Möglichkeit seine Ware in die logistische Hand eben dieser Marktplätze zu geben und von vielen Vorteilen profitieren zu können. Ein gängiges Beispiel ist hier das Amazon FBA mit seinem PAN EU Programm.

Wie funktioniert das Programm?

Per Knopfdruck im Seller Central (mehr ist es tatsächlich nicht), kann ein Online Händler Amazon die Berechtigung geben seine Waren in ganz Europa zu verteilen. Deutschland, Polen, Tschechien, Frankreich, Italien, Spanien und Schweden nehmen aktuell am Amazon PAN EU Programm teil und Online Händler können in diesem Ländern Waren einlagern.

Das hat unter anderem folgende Vorteile:

  • Prime Status auf anderen Markplätzen in der EU.

  • Amazon Gebührenersparnis von 0,26€ pro verkauftem Produkt (Polen & Tschechien)

  • Amazon Gebührenersparnis von i.d.R 1,80€ aufwärts in der Versandgebühr (Italien, Spanien, Frankreich, Schweden)

Sprich neben signifikanter Gebührenersparnis kann ein Händler massiv seinen Umsatz steigern und EU weit Kunden erreichen. In der Regel ein No Brainer ab 1.500 Amazon FBA Transaktionen im Monat.

Der Nachteil: Es entsteht eine Umsatzsteuerpflicht in dem Land, in dem zusätzlich eingelagert wird.

Warum?

Sobald ein Händler über ein externes Fulfillment im Ausland Waren umlagert und von dort aus an den Endkunden abverkauft, eröffnet er in diesem Land eine fiktive Betriebsstätte. Dabei entstehen multiple umsatzsteuerliche Prozesse, die dem Finanzamt gemeldet werden müssen:

  • Verkäufe innerhalb des Landes

  • Umlagerungen von Waren zwischen Lägern im Im- und Export

  • Retouren

  • ....

Im Prinzip entstehen aus umsatzsteuerlicher Sicht im Ausland die gleichen Pflichten wie im Inland.

Dies hat neben der Konsequenz der Umsatzsteuerpflicht im Ausland, Auswirkungen auf folgende Prozesse:

  • die Rechnungserstellung

  • die deutsche Buchhaltung

  • die OSS Meldung

Umsatzsteuerpflicht im Ausland

Wie schon mehrmals erwähnt, entsteht durch eine Lagerung im Ausland und Abverkauf der Ware von dort eine Umsatzsteuerpflicht. In der Konsequenz muss hier eine Umsatzsteuer-ID registriert werden und laufend Umsatzsteuermeldungen eingereicht werden. Hier kümmert sich countX. Sprecht uns gerne an.

Konsequenz auf Rechnungsstellung

Eine Rechnung muss folglich dokumentieren, wie eine Warenversendung physisch stattgefunden hat und entsprechend die umsatzsteuerliche Situation darstellen.

Beispiele:

Lagerung Frankreich 🇫🇷 —> Endkunde Frankreich🇫🇷. Rechnung: Ust-ID FR / MwSt FR

Lagerung Italien 🇮🇹 —> Endkunde Italien 🇮🇹. Rechnung: Ust-ID IT / MwSt IT

Lagerung Deutschland 🇩🇪 —> Endkunde Österreich 🇦🇹 : Ust-ID DE / MwSt AT (OSS halt)

so weit so gut.

Lagerung Frankreich 🇫🇷 —> Endkunde Deutschland 🇩🇪: Ust-ID DE / MwSt DE

Jetzt gehts los. Per Definition, ist jede grenzüberschreitende Transaktion eine OSS Transaktion. Sprich auch wenn ich in ein Land versende, in dem ich bereits eine USt-ID besitze. Dementsprechend muss ich in diesem Ländern auch über zwei Kanäle Meldungen einreichen und Rechnungen entsprechend erstellen.

Konsequenz für deutsche Buchhaltung

Es gibt nicht nur noch lediglich die Pflicht, Umsatzsteuermeldungen in Deutschland und ggf. über das OSS Verfahren einzureichen, sondern ebenso in jedem Land mit einer aktiven USt-ID. Das hat Auswirkungen auf Kontenrahmen und Interpretation sowie Integration der Daten. Die 100% Umsatzsteuer teilen sich nicht mehr auf 1—2 sondern 2—7 Kanäle auf. Hier gilt es Herr seiner Daten und Prozesse zu bleiben.

Ist ein Steuerberater dem, auf Grund keiner Erfahrung im E-Commerce, nicht gewachsen, kommen Vorsysteme wie z.B. JERA und/oder in Kombination countX ins Spiel, die in gewisser Weise "Verantwortung" für Validierung, Vorbereitung und Übertragung der Daten übernehmen.

Konsequenz für die OSS Meldung

Wie oben schon mehrfach beschrieben, gibt es für das OSS Verfahren nun mehr relevante und zu überwachende Grenzüberschreitungen. Früher gegebenenfalls aus DE ins EU Ausland, sprich 1×26 Grenzen. Bei Aktivierung des PAN EU Programms gibt es in der Regel nun 6×26 Grenzen, sprich 156.

Hier muss differenziert werden zwischen lokalen und OSS Transaktionen, die im ERP oder Rechnungsprogramm entsprechend korrekt gespiegelt und vom Steuerberater richtig interpretiert werden müssen.

Keine USt-ID im Ausland

In der Theorie sind wir nun jeweils davon ausgegangen, das Umsatzsteuerpflichten korrekt nachgekommen wird und jeweils eine USt-ID im Ausland existiert. Was passiert nun bei Rechnungsstellung, Buchhaltung, OSS Verfahren und lokalen Meldungen ohne aktive Ust-ID im Ausland?

Kurz: Alles ist falsch.

Rechnungen können nicht korrekt ausgestellt werden, passend zu den physischen Warenbewegungen. Entsprechend ist die deutsche Buchhaltung und die Kalkulation der deutschen Umsatzsteuermeldung falsch sowie die OSS Meldung. Von ausbleibenden Meldungen im Ausland ganz zu schweigen. Hier bauen sich fehlerhafte Prozesse auf, die je nach Zeit und Anzahl der Fälle Existenzen bedrohen können.

Was ist nun zu tun und zwar in der Reihenfolge:

  1. Registrierung der Ust-IDs im Ausland

  2. Rückwirkende Rechnungskorrektur an Hand der vorgekommen Transaktionen

  3. Rückwirkende Korrektur der deutschen Umsatzsteuermeldungen

  4. Korrektur der OSS Meldungen

  5. Rückwirkende Nachreichung der lokalen Meldungen im Ausland

  6. Rückwirkende Korrektur der deutschen Buchhaltung

Ein Rattenschwanz der länger, und länger und länger wird.

Wo kein Kläger da kein Richter

Die Praxis zeigt, dass viele dieser Prozesse von leicht bis drastisch fehlerhaft durchlaufen und den Finanzämtern nicht auffallen. Hier wird erstmal alles durchgewunken, weil eben nicht laufend geprüft wird. Marktplätze sind aber mittlerweile verpflichtet Fulfillment Daten mit Finanzämtern zu teilen und im Endeffekt ist es nur eine Frage der Zeit, bis fehlerhafte Prozesse auffallen und Finanzämter an die Tür klopfen. Die Frage ist dann nur, wie groß das Problem dann ist und wie lange es gedauert hat, bis Fehler aufgefallen sind.

Und dann ist das Finanzamt wie ein Güterzug, einmal ins Rollen gekommen, nur schwer aufzuhalten.

Wenn so Prozesse auffallen, kann ich dann rückwirkend fünfe gerade sein lassen und in die Zukunft korrekt handeln? Kurz: Nein.

Daher ist es besser so schnell es geht zu handeln, um den Zeitraum der rückwirkenden Arbeiten zu gering es geht zu halten.

Lösung

Das Gute ist, in der Regel gibt es eine Lösung. Es bedarf nur der aktiven Bearbeitung und dem Willen, die Lösung anzugehen. Plus verschiedenen Systemen, die bei der Lösung unterstützen.

countX hat viele solcher Fälle in der Praxis miterlebt und aufgeräumt. Wenn hier Unsicherheiten oder Fragen bestehen, sprechen Sie uns einfach an.

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