Brexit & Umsatzsteuer I Lesezeit: 3 Minuten
Zuletzt aktualisiert: 06. November 2025

Amazon Pan-EU Umsatzsteuer einfach erklärt

Amazon Pan-EU klingt verlockend: Schnellerer Versand, zufriedenere Kunden, mehr Prime-Verkäufe. Doch mit der europaweiten Lagerung kommen auch neue steuerliche Pflichten auf dich zu.
E-Commerce-Händlerin überprüft Amazon Pan-EU Lagerbestände und Umsatzsteuer-Daten im Büro

1. Was ist Amazon Pan-EU?

Amazon Pan-EU (Pan-European FBA) ist ein Fulfillment-Programm, bei dem Amazon deine Produkte in mehreren europäischen Ländern lagert und von dort an Kunden versendet.

Das Ziel: Deine Produkte sollen näher bei deinen Kunden sein, damit sie schneller geliefert werden können.

Mit einem einzigen Klick im Amazon Sellercentral aktivierst du Pan-EU – und Amazon übernimmt den Rest: Lagerung, Verpackung, Versand und Kundenservice. Was viele nicht wissen: Amazon verschiebt deine Ware automatisch zwischen den aktivierten Ländern. Damit ändert sich auch deine steuerliche Verantwortung.

Kurz gesagt: Mit Pan-EU erreichst du mehr potentielle Kunden aber auch mehr Finanzämter.

Programm Lagerländer Lieferung Umsatzsteuerpflicht Besonderheiten
FBA Standard Nur ein Land (z. B. Deutschland) Versand europaweit aus einem Lager nur im Lagerland Einfaches Setup, geringe Komplexität, längere Lieferzeiten ins Ausland
Central Europe (CE) Deutschland, Polen, Tschechien EU-weiter Versand aus drei Lagern Pflicht in DE, PL, CZ Schnellere Lieferung; zusätzliche Registrierungen & Meldungen nötig
Pan-EU Bis zu 7 Länder (DE, FR, IT, ES, PL, CZ, NL) Lokaler Versand in fast ganz Europa Pflicht in allen Lagerländern Beste Lieferzeiten & Reichweite, höchster Verwaltungsaufwand

Angaben beziehen sich auf Amazon FBA Programme in der EU. Änderungen oder länderspezifische Anpassungen vorbehalten.

2. Warum Pan-EU so beliebt ist

Der größte Vorteil liegt auf der Hand: Prime-Eligibility und schnellere Lieferzeiten. Wenn dein Produkt bereits in Frankreich lagert und ein Kunde aus Paris bestellt, kann Amazon über Nacht liefern. Das bedeutet:

  • Höhere Conversion-Rates durch Prime-Badge
  • Bessere Buy-Box-Chancen
  • Zufriedenere Kunden durch schnellen Versand
  • Höhere Sichtbarkeit in lokalen Marktplätzen

Aber: Doch wo Amazon Logistik vereinfacht, wird Steuerrecht kompliziert.

3. Wie funktioniert das Lagerkonzept bei Pan-EU?

Amazon entscheidet, wo deine Produkte lagern – basierend auf Nachfrage, Lagerkapazität und Logistik-Effizienz. Du sendest deine Ware zu einem zentralen Lager (meist Deutschland), und Amazon verteilt sie von dort automatisch auf verschiedene Fulfillment-Center.

Beispielhafte Lagerländer: Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Polen, Tschechien, Niederlande.

Was das für dich bedeutet:

Vorteil: Du musst dich nicht um die Logistik kümmern – Amazon optimiert die Verteilung für maximale Geschwindigkeit.

Nachteil: Du hast keine Kontrolle darüber, in welchen Ländern deine Ware landet. Heute lagert sie in Polen, morgen auch in Spanien.

Wichtig: Sobald Amazon deine Produkte in einem EU-Land lagert, bist du dort umsatzsteuerpflichtig! Egal ob du selbst aktiv Ware in dieses Land gesendet hast.

4. Umsatzsteuerpflichten in jedem Lagerland

Grundregel: Jede physische Lagerung = steuerliche Registrierungspflicht in diesem Land.

Wenn Amazon deine Produkte in Spanien, Italien, Polen oder Frankreich lagert, brauchst du in jedem Land:

  • Eine lokale VAT-Nummer (Umsatzsteuer-Identifikationsnummer)
  • Regelmäßige Umsatzsteuer-Voranmeldungen in der jeweiligen Landessprache
  • Ggf. Intrastat-Meldungen (bei Warenbewegungen über 800.000 €)
  • Lokale Jahreserklärungen und Archivierungspflichten
Jetzt kostenlos prüfen, in welchen Ländern du steuerpflichtig bist: countX analysiert deine Lagerländer und zeigt dir, wo du aktiv werden musst Setup-Check starten →

5. OSS vs. lokale Meldung – ein wichtiger Unterschied

OSS gilt nur für grenzüberschreitende Verkäufe aus deinem Heimatland. Sobald du Ware im Ausland lagerst, gilt OSS nicht mehr. Verkäufe aus diesen Lagern müssen über lokale Umsatzsteuer-Meldungen abgewickelt werden.

5.1 Was ist OSS?

OSS (One-Stop-Shop) ist eine Vereinfachungsregelung für grenzüberschreitende Verkäufe innerhalb der EU. Du kannst alle Umsätze zentral in Deutschland melden, statt in jedem Land einzeln.

ABER: OSS gilt nur für Verkäufe aus Deutschland über Ländergrenzen hinweg.

5.2 Wann OSS NICHT mehr greift:

Sobald du Ware in einem anderen EU-Land lagerst, gilt OSS nicht mehr für die Verkäufe aus diesem Lager. Stattdessen:

  • Die Ware in Spanien lagerst → Spanische Umsatzsteuer fällig
  • Die Ware in Polen lagerst → Polnische Umsatzsteuer fällig
  • Die Ware in Italien lagerst → Italienische Umsatzsteuer fällig

Du brauchst also lokale VAT-Registrierungen in allen Lagerländern.

🔍 Beispielhafte Übersicht

🇩🇪 Deutschland ✅ Registrierung erforderlich
Meldetyp: Voranmeldung monatlich Behörde: Bundeszentralamt für Steuern
🇪🇸 Spanien ✅ Registrierung erforderlich
Meldetyp: Modelo 303 + 349 Behörde: Agencia Tributaria (AEAT)
🇫🇷 Frankreich ✅ Registrierung erforderlich
Meldetyp: Déclaration de TVA Behörde: Direction Générale des Finances Publiques
🇵🇱 Polen ✅ Registrierung erforderlich
Meldetyp: JPK_V7 Behörde: Krajowa Administracja Skarbowa
🇨🇿 Tschechien ✅ Registrierung erforderlich
Meldetyp: Přiznání k DPH Behörde: Finanční správa

Fazit: OSS ist kein Ersatz für Pan-EU-Registrierungen. Du brauchst beides.

6. Praxisbeispiel: Wenn Amazon deine Ware nach Spanien verschiebt

Stell dir vor, du bist FBA-Händler aus Hamburg und verkaufst Yoga-Matten über Amazon. Du aktivierst das Pan-EU-Programm und schickst im Januar 500 Matten in ein deutsches Amazon-Lager. Gleichzeitig startest du die Umsatzsteuer-Registrierungen für die Pan-EU-Länder.

Aber – und hier kommt das große ABER:
Du musst zuerst registriert sein, bevor du in einem Land Waren lagern darfst.

Wenn Amazon also schon im Februar eigenständig 200 deiner Matten nach Spanien verschiebt, weil dort eine hohe Nachfrage erwartet wird, bist du dort noch gar nicht umsatzsteuerlich registriert. Diese Registrierung kann – je nach Land – bis zu 48 Wochen dauern.

Im März verkaufst du dann die ersten Matten direkt aus Spanien.
Und genau ab diesem Moment gilt:
Sobald deine Ware in Spanien liegt, bist du dort umsatzsteuerpflichtig – auch wenn deine Registrierung noch gar nicht abgeschlossen ist.

Schritt Maßnahme Zeitraum
1 Registrierung VAT-Nummer (NIF-IVA) beantragen 4–8 Wochen
2 Meldungen Modelo 303 (monatlich) + Modelo 349 (zusammenfassend) ab Lagerung
3 Jahresabschluss Modelo 390 jährlich
Das gilt für jedes Land, in dem Amazon deine Ware lagert – parallel.

7. Fazit: Pan-EU richtig gemacht

Amazon Pan-EU ist ein mächtiges Tool, um deine Reichweite zu erhöhen und schnellere Lieferzeiten anzubieten. Aber die steuerlichen Pflichten dürfen nicht unterschätzt werden.

Die wichtigsten Punkte zusammengefasst:

  • Pan-EU bedeutet Lagerung in bis zu 7 EU-Ländern
  • Jedes Lagerland = neue VAT-Registrierung erforderlich
  • OSS ersetzt keine lokalen Meldungen bei Lagerung im Ausland
  • Ohne Automatisierung wird es schnell unübersichtlich und zeitaufwändig

Mit der richtigen Vorbereitung und den passenden Tools kannst du die Vorteile von Pan-EU voll ausschöpfen ohne im Steuer-Chaos zu versinken.

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Dana Börnke
Als Senior Marketing Managerin bei countX verbindet sie E-Commerce-Expertise mit digitalem Wachstum

Häufige Fragen zu Brexit & Umsatzsteuer

Wann muss ich mich in Großbritannien für die Umsatzsteuer (UK VAT) registrieren?
Eine UK VAT-Registrierung ist erforderlich, wenn du Waren unter 135 GBP direkt an Endkunden verkaufst, wenn du DDP-Lieferungen anbietest oder ein Lager in Großbritannien nutzt. In diesen Fällen musst du britische Umsatzsteuer berechnen und regelmäßig VAT-Meldungen einreichen.
Was bedeutet HMRC?
HMRC steht für His Majesty’s Revenue and Customs, die britische Steuer- und Zollbehörde. Sie ist zuständig für Umsatzsteuer-Registrierungen, Zollverfahren, VAT-Meldungen und das C79- bzw. MPIVS-Formular.
Was ist MPIVS (Postponed VAT Accounting)?
Das MPIVS, auch Postponed VAT Accounting genannt, ist das digitale Pendant zum C79-Formular. Du kannst damit die Einfuhrumsatzsteuer direkt in deiner UK-VAT-Meldung verrechnen, ohne sie vorzufinanzieren. Das MPIVS-PDF steht im CDS-Portal bereit.
Was passiert, wenn ich keine EORI-Nummer habe?
Ohne gültige EORI-Nummer ist keine ordnungsgemäße Verzollung möglich. Wird die Einfuhr über den Logistikdienstleister abgewickelt, kann dieser als Importeur gelten – du verlierst dann den Anspruch auf den C79-Nachweis und damit auf den Vorsteuerabzug.
Was ist die 135-Pfund-Grenze im UK-Handel?
Die 135-Pfund-Grenze gilt für B2C-Verkäufe nach Großbritannien. Liegt der Warenwert unter 135 GBP, musst du als Verkäufer britische Umsatzsteuer berechnen und in UK melden. Oberhalb dieser Grenze zahlt der Importeur die Einfuhrumsatzsteuer.
Was ist das C79-Formular?
Das C79 ist ein monatliches Dokument von HMRC, das alle Importe auflistet, für die du Einfuhrumsatzsteuer gezahlt hast. Es dient als offizieller Nachweis für den Vorsteuerabzug in Großbritannien.
Wie wird Nordirland umsatzsteuerlich behandelt?
Nordirland bleibt umsatzsteuerlich Teil der EU. Rechnungen an Unternehmen mit XI-USt-ID gelten als innergemeinschaftlich steuerfrei. Für andere britische Regionen (GB) gelten hingegen Export- und Drittlandsregeln.
Was kontrolliert HMRC ab 2025 verstärkt?
HMRC prüft verstärkt DDP-Lieferungen ohne EORI, Kleinsendungen unter 135 GBP ohne VAT-Registrierung und fehlerhafte Postponed-VAT-Reports. Händler sollten ihre VAT-Prozesse automatisieren, um Nachzahlungen und Strafen zu vermeiden.